Dienstag, 4. August 2020

Rezension "Sommer der Wahrheit" von Nele Neuhaus

(c) ullstein
Sheridan Grant ist 15 Jahre alt, als sie das erste Mal verhaftet wird. In einem kleinen Städtchen in Nebraska, wo jeder jeden kennt, nicht gerade das Beste für den Ruf der Familie. Und dabei hat sie sowieso schon einen schweren Stand als adoptiertes Kind der angesehenen Grant-Familie.
In der sie sich nie wirklich zu Hause gefühlt hat. Ihr Vater ist fast nie zu Hause, ihre Brüder kümmern sich nur sporadisch um sie und ihre Mutter scheint sie ohnehin zu hassen.
Darum bleibt Sheridan nichts anderes übrig, als sich mit sich selbst zu beschäftigen. Oder mit den unterschiedlichsten Männern, die in ihr Leben treten - und wieder daraus verschwinden. Wie soll sie nur jemals herausfinden, wer wirklich zu ihr passt? Und wie kann sie ihren Traum von der Musik wahrmachen?


Die Geschichte:
Ich war mir am Anfang nicht sicher, was ich von der Geschichte erwarten sollte. Ein junges Mädchen auf dem Land, in den USA der 90er-Jahre. So ganz anders als die Leute um sie herum. Ständig in Schwierigkeiten, manchmal absichtlich, manchmal nicht. Es war wirklich eine Geschichte, wie man es am besten nicht macht. Als jemand, der sich selbst lieber anpasst, um nicht zu viele Schwierigkeiten zu bekommen, kam ich nicht gut mit all dieser Rebellion klar. Abgesehen davon ist wirklich eine Menge passiert und es war schwierig, den Überblick zu behalten, wie viel Zeit vergangen ist.
Das Spannendste an dem Buch war eigentlich die Hintergrundgeschichte rund um Sheridans wahre Eltern und was die mit ihrer jetzigen Familie zu tun haben. Darauf hätte meines Erachtens viel mehr der Fokus liegen sollen als auf Sheridans sehr wechselhaften Schwärmereien und "Beziehungen".
Es ist in dem Buch einfach zu viel zusammengekommen, zu viel passiert. Und nichts hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Die Charaktere:
Ich glaube, ich hatte selten mit einer Erzählerin zu tun, die mir so unsympathisch war. Klar, Sheridan ist noch jung und da spielen die Gefühle und Hormone verrückt. Aber sie konnte sich wirklich auf nichts festlegen. Ihr Traum von der Musik war auch eher so Nebensache. Immer nur waren ihr gefühlt die Männer wichtig - deren feuchter Traum sie auch war. Wirklich, es stand irgendwie jeder Mann, der nicht mit ihr verwandt war (na ja, vielleicht war nicht mal das ein Hindernis) auf sie. Dass sie so jung ist, war immer ein Thema, jedoch nie ein wirkliches Hindernis. Es war einfach zu viel Liebesdrama, als dass man richtige Sympathie für Sheridan oder einen der Männer entwickeln konnte.
Außerdem waren die sowieso viel zu schnell wieder weg. Ein zu wechselndes Ensemble stört mich persönlich auch, da man keine Verbindungen mit den Figuren eingehen kann.
Die Einzigen, die ich wirklich mochte in dem Buch, waren Sheridans Brüder (ausgenommen Esra).

Der Schreibstil:
Mir war der Stil viel zu sachlich, viel zu sehr auf den Punkt. Es waren Aussagen, die wurden als selbstverständlich hingenommen. Gefühlsmäßig kam kaum etwas rüber. Sherdian findet den einen Mann so anziehend, dass sie mit ihm schlafen möchte. Okay. Sheridan fühlt eine merkwürdige Anziehung zu einem Mann, den sie kaum kennt und erst recht nicht leiden kann. Dabei weiß man als Leser kaum, wie dieser Mann aussieht. Er ist auf einmal da, er findet Sheridan attraktiv und interessant und schon ... na ja, den Rest kann man sich fast denken.
Es glich mehr einem Bericht als einem spannenden Roman. Hier stand eindeutig mehr die nüchterne Realität im Vordergrund als die Entwicklung der Hauptfigur.

Mein Fazit:
Obwohl ich schon wissen wollte, wie es weitergeht bzw. endet, konnte mich das Buch nicht wirklich überzeugen. Es schoss komplett an meiner favorisierten Erzählweise vorbei. Jugendbücher haben teilweise mehr Tiefe als dieser belletristische Roman. Fast würde ich sagen, ich bin mit 26 Jahren noch zu jung, um "Sommer der Wahrheit" wertschätzen zu können - obwohl die Hauptfigur im Teenageralter ist. Es war mir einfach zu abgestumpft. Auf eine merkwürdige Weise grausam und dennoch appellierte es nicht an mein Empathieempfinden.
Insgesamt gesehen mag der Roman vielleicht nicht schlecht sein. Nele Neuhaus schreibt auf ihre eigene Weise gut. Wegen meines persönlichen Buchgeschmacks kann ich der Geschichte allerdings nur eine solide Bewertung geben.

Sabrina S. Says:





                                                                                

Erschienen bei Ullstein
Erscheinungsdatum: 3.8.2020

Dieser Roman erschien bereits mit dem gleichen Titel unter dem offenen Pseudonym Nele Löwenberg im Jahr 2014 (zur Originalausgabe).

ISBN: 9783548062518
Klappenbroschur, 512 Seiten

Preis 11,99 € (D) 

Auch als E-Book erhältlich

Bestellbar unter anderem bei Ullstein

                                                                                 

Ein E-Book dieses Titels wurde mir freundlicherweise über Netgalley als Rezensionsexemplar von Ullstein zur Verfügung gestellt.